Kritik am transatlantischen Feminismus von Annalena Baerbock
Die Wurzeln feministischer Außenpolitik gehen auf die Friedensbemühungen von Frauen nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs zurück. Auf dem ersten internationalen Frauenfriedenskongress trafen sich 1915 mitten im Kriegstaumel über 1000 Delegierte aus zwölf Ländern. Sie forderten eine sofortige Beendigung des Krieges, Vermittlung durch neutrale Staaten und Abrüstung. Alarmiert durch die Aufrüstung und Kriegsbegeisterung im deutschen Kaiserreich, organisierten sie schon vor dem Krieg Friedenskundgebungen, auf denen sie ein Ende des Rüstungswahns forderten.
Nach Kriegsende fand 1919 in Zürich ein weiterer Frauenkongress mit Teilnehmerinnen aus allen Kriegsländern statt. Als Konsequenz aus dem verheerenden Ersten Weltkrieg wurden die Verstaatlichung der Rüstungsindustrie, internationale Kontrolle des Waffenhandels und allgemeine Abrüstung gefordert.
Die Politikwissenschaftlerin Uta Ruppert hat in der Zeitschrift »Prokla« die Verflechtung von Patriarchat, Nationalismus und Kriegsbereitschaft untersucht. Nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs formulierte sie die aktuellen Aufgaben feministischer Außenpolitik so: Erstens habe sie »alle ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, um sämtliche Formen der Gewalt, die den Krieg antreiben, die im Krieg permanent neu entstehen, so weit wie irgend möglich zu reduzieren«. Zweitens müsse dem im Krieg sich zuspitzenden Freund-Feind-Denken eine »dialogische Politik der Differenzierung und Pluralisierung« entgegengesetzt werden.
Als Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in der vergangenen Woche ihre Leitlinien feministischer Außenpolitik vorstellte, hätte sie an den historischen Erfahrungen vieler deutscher Feministinnen anknüpfen können. Auf die aktuell kontrovers diskutierte Frage, wie Frieden zu erreichen sei, ging sie in ihrer Rede aber nicht ein. So klang es eher bizarr, als sie wortreich erläuterte, dass Frauen besondere Hygieneartikel brauchen.
Sie sprach über die Situation von Frauen in der Ukraine, in Afghanistan und dem Iran. Aber sie klammerte die Frauenrechte in Ländern, die als Verbündete der westlichen Wertegesellschaft gelten, aus: Sie sagte nichts zur Türkei, die 2022 die Istanbul-Konvention aufgekündigt hat. Im Jemen-Konflikt erwähnte sie die Huthis als Problem, schwieg aber zu dem Bombenterror Saudi-Arabiens, der Hunderttausende Jemenit*innen das Leben kostete.
Baerbock stellt ihr Konzept feministischer Außenpolitik ganz in den Dienst des von Transatlantiker*innen aktuell vertretenen Ziels, im globalen Maßstab kulturbildend im Sinne westlicher Normen und Sitten zu wirken. In Regionen, die die nordatlantische Führungsriege für strategisch wichtig hält, werden Sanktionen oder Interventionen gerne mit Unterdrückung von Minderheiten, Frauen- und LGBTIQ-Rechten gerechtfertigt.
Die deutsche Außenministerin inszeniere sich als eine weiße Frau, die nicht-weiße Menschen rettet, kritisiert Rafia Zakaria, Autorin des Buches »Against White Feminism«. Baerbocks feministische Außenpolitik sei nur ein weiteres Projekt des »weißen Feminismus«, das die nationalen und Sicherheitsinteressen weißer Frauen in den Mittelpunkt stelle und für die Frauen im Globalen Süden entscheide, was ihre zentralen Probleme seien.
Es ist zwar zu begrüßen, dass die Außenministerin das Leid von Frauen in Kriegen thematisiert und den Anspruch erhebt, Frauen an Konfliktlösungen zu beteiligen. Die feministische Rhetorik verhallt aber, wenn die bestehende Wirtschaftsordnung unangetastet bleibt. Unter der ungleichen internationalen Arbeitsteilung und der Zerstörung der Natur durch die Ausbeutung von Rohstoffen haben Frauen besonders zu leiden. So bleiben kaum mehr als gestiegene Karrierechancen für Frauen im diplomatischen Dienst und ein neues Konzept für den Werteexport des globalen Nordens.
Artikel von Sabine Skubsch im Neuen Deutschland : Feministische Außenpolitik: Annalena Baerbock: Transatlantischer Feminismus | nd-aktuell.de